Rechtsanwaltskanzlei Oliver John

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Archiv für Juli, 2018

Vertragsrecht aktuell : BGH-Urteil zur Haftung für offene WLAN-Hotspots

Geschrieben von Oliver John am . Veröffentlicht in Allgemein

Der BGH hat mit Urteil vom 26.07.2018, Az.: I ZR 64/17 entschieden, dass der Betreiber eines frei zugänglichen nicht passwortgeschützten W-LANs und eines Zugangspunkts zum anonymen Tor-Netz nicht auf Unterlassung haftet, wenn jemand diesen Anschluss für illegale Uploads benutzt.

Der Sachverhalt:

Der Beklagte betreibt 5 öffentlich zugängliche W-LAN Hotspots und 2 eingehende Kanäle aus dem Tor-Netzwerk. Die Klägerin ist eine Computerspielproduzentin. Im Jahr 2011 wurde ein Programm von ihr über den Internetanschluss des Beklagten in einer Tauschbörse zum Herunterladen angeboten.Die Klägerin mahnte den Beklagten ab und forderte ihn zur Unterlassung auf. Da dieser sich weigerte, beanspruchte sie Unterlassung und die Zahlung der Abmahnkosten. Das Oberlandesgericht hat dem Beklagten  unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben, Dritte daran zu hindern, das Computerspiel über seinen Internetanschluss in einer Tauschbörse zur Verfügung zu stellen. Er musste weiterhin die Abmahnkosten tragen.

Das Urteil:

Der BGH hat die Abmahnkosten bestätigt, die Verurteilung zur Unterlassung aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht soll darüber entscheiden, ob der Klägerin ein Anspruch auf Sperrung von Informationen zusteht.

Zum Hintergrund:

Am 13.10.2017 wurde das Telemediengesetz (§ 8 I 2 TMG) dahingehend geändert, dass der Vermittler eines Internetzugangs nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung einer Rechtsverletzung haftet. Der BGH hat diese Regelung als wirksam und europarechtskonform beurteilt, weil die geschädigten Rechteinhaber immer noch die Möglichkeit haben, nach § 7 IV TMG den Betreiber zur Sperrung bestimmter Inhalte zu verpflichten. Der BGH hat den Umfang der Maßnahmen ausdrücklich offen gelassen und ausgeführt, dass der Anspruch nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen beschränkt ist und die Pflicht zur Registrierung von Nutzern, zur Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort und im äußersten Fall zur vollständigen Sperrung des Zugangs umfassen kann.

Fazit:

Der BGH hat mit diesem Urteil zwar die sog. Störerhaftung (Haftung für missbräuchliche Nutzung durch Dritte) eines Betreibers eines Hotspots abgeschafft. Eine Rechtsklarheit gibt es aber nicht, weil das Oberlandesgericht jetzt prüfen muss, ob ein geschädigter Rechteinhaber vom Betreiber eine Sperrung von Nutzung der Informationen verlangen kann. Führt dies zu einer vollständigen Sperrung, ist die alte Gesetzeslage faktisch wiederhergestellt. Auch ist nicht klar, ob der Betreiber eines Hotspots nach der neuen Gesetzeslege für die nicht unerheblichen Abmahnkosten aufzukommen hat.

 

Vertragsrecht aktuell: Facebook muss Erben Zugriff auf das Konto der toten Tochter gewähren

Geschrieben von Oliver John am . Veröffentlicht in Allgemein

Der Bundesgerichtshof  hat durch Urteil vom 12.07.2018, Az.: II ZR 183/17 entschieden, dass Facebook den Erben Zugang zum Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter gewähren muss.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Mutter eines im Alter von 15 Jahren verstorbenen Mädchens und neben dem Vater Mitglied der Erbengemeinschaft des Nachlasses ihrer Tochter. Sie verstarb unter bisher ungeklärten Umständen bei einem U-Bahnunfall. Die Verstorbene hatte sich 2011 im Alter von 14 Jahren mit Zustimmung ihrer Eltern bei Facebook registrieren lassen und unterhielt dort ein Benutzerkonto. Die Klägerin versuchte, sich in das Benutzerkonto ihrer Tochter einzuloggen. Dies war nicht möglich, weil Facebook das Konto in den Gedenkzustand versetzt hatte. Damit war ein Zugang mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich. Die Klägerin verlangte von Facebook den Zugang. Sie wollte über den Facebook-Account abklären, ob die Tochter Selbstmord begangen hatte. Dies war unter anderem deswegen von Bedeutung, weil der am Unglück beteiligte U-Bahnfahrer gegen die Erben wegen des Unglücks Schadensersatzansprüche geltend machte.

 

Das Urteil:

Der BGH hat entschieden, dass Facebook verpflichtet ist, den Erben Zugang zum Benutzerkonto zu gewähren. Er hat ein anderslautendes OLG-Urteil aufgehoben. Der Nutzungsvertrag, den die Tochter mit Facebook abgeschlossen hat, ist im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Eltern als Erben übergegangen. Dessen Vererblichkeit ist vertraglich nicht ausgeschlossen. Die Klauseln von Facebook zum Gedenkzustand sind nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden und im Übrigen unwirksam. Ein Vertrag mit höchstpersönlicher Natur liegt nicht vor. Der höchstpersönliche Charakter folgt nicht aus dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Kommunikationspartner des verstorbenen Mädchens. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nur der Kontoinhaber und keine Dritten vom Kontoinhalt Kenntnis erlangen besteht nicht, weil zu Lebzeiten mit einem Missbrauch oder Zugang durch Dritte gerechnet werden muss. Eine Differenzierung des Kontozugangs nach vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten scheidet aus, weil auch analoge Dokumente wie Briefe und Tagebücher nach dem Willen des Gesetzgebers vererbt werden können. Ein postmortales Persönlichkeitsrecht besteht nicht. Das Fernmeldegeheimnis steht dem Anspruch nicht entgegen. Der Anspruch kollidiert auch nicht mit der Datenschutzgrundverordnung von Mai 2018, da diese nur Lebende schützt und die Bereitstellung und Überarbeitung von Nachrichten und sonstigen Inhalten personenbezogener Daten von Kommunikationspartnern zulässig ist.

 

Fazit:

Der BGH hat eine Grundsatzentscheidung gefällt, die zu begrüßen ist. Er stellt klar, dass der digitale Nachlass bei einem Erbfall genauso wie der analoge zu behandeln ist. Eine Differenzierung zwischen Briefen, Tagebüchern und einem Facebook-Account ist nicht geboten.

 

Vertragsrecht aktuell: Wende im VW-Abgasskandal – OLG Köln, 27 U 13/17, 28.05.2018 verurteilt Händler

Geschrieben von Oliver John am . Veröffentlicht in Allgemein

Das OLG Köln hat durch Beschluss vom 28.05.2018, Az. 27 U 13/17 entschieden, dass ein Händler einen VW mit Manipulationssoftware zurücknehmen und dem Käufer den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurückerstatten muss.

Der Sachverhalt:

Der Kläger hatte bei dem Händler im April 2015 einen gerbrauchten VW Eos 2,0 TDI erworben. Das Fahrzeug mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 war mit einer Manipulationssoftware ausgestattet, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte (Modus 1) oder im üblichen Straßenverkehr (Modus 2) befindet. Die Software bewirkt eine Verringerung des Stickstoff-Ausstoßes, wenn  das Fahrzeug auf dem Prüfstand ist.

Nachdem der Kläger dies erfuhr, setzte er dem Händler eine Frist von 3,5 Wochen  zur Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeuges und begehrte hilfsweise die Nachbesserung, also die Mangelbeseitigung. Der Händler lehnte dies ab. Am 03.06.2016 gab das Kraftfahrt-Bundesamt ein Softwareupdate für das Modell frei. Der Kläger erklärte schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag.

 

Der Beschluss:

Das OLG Köln hat durch Beschluss die Berufung gegen ein Urteil des LG Köln, mit dem der Händler ebenso verurteilt wurde, zurückgewiesen. Der Senat vertritt die Auffassung, dass ein vom VW-Abgasskandal betroffener PKW mangelhaft ist, weil darin eine Software zum Einsatz kommt, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolviert und die in einer solchen Testsituation einen eigens dafür vorhergesehenen Betriebsmodus mit vergleichsweise niedriger Stickstoffemission aktiviert. Der Senat  hat offen gelassen, ob vor dem Rücktritt ein Nacherfüllungsverlangen erforderlich ist, hält aber eine Frist zur Nachbesserung von 7 Wochen für ausreichend.

 

Fazit:

Mit dieser Entscheidung wurde erstmalig durch ein Oberlandesgericht ein Händler zur Rücknahme eines mit einer Schummelsoftware ausgestatteten VW ´s verurteilt. Damit sind die Probleme von Betroffenen allerdings noch lange nicht erledigt. Die Ansprüche, die sowohl gegen den Händler als auch gegenüber VW geltend gemacht werden können, drohen am 31.12.2018 zu verjähren. Problematisch ist auch die Situation derjenigen, die ein Aufspielen der Software verweigern. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat Halter von betroffenen Fahrzeugen mit Fristsetzung zum 02.07.2018 aufgefordert, das Softwareupdate durchzuführen und darauf hingewiesen, dass bei Nichtbefolgung durch die örtlichen Behörden eine Stilllegung des Fahrzeugs veranlasst werden kann. Wie die hiesigen Behörden in diesem Fall regieren werden, ist noch nicht absehbar. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat am 26.02.2018,12 K 16702/17 einem Eilantrag gegen eine sofortige Betriebsuntersagung stattgegeben. Anlass zur Hoffnung hat ein Beschluss des OLG Köln vom 27.03.2018, Az.: 18 U 134/17 gegeben. Danach ist ein Rücktritt vom Kaufvertrag auch möglich, wenn das Softwareupdate bereits durchgeführt wurde. Den Erfolg des Updates sieht das Gericht nicht als erwiesen an, weil VW Details zu dessen Wirkungsweise den Kunden nicht bekanntgegeben habe. Es besteht also für die Betroffenen akuter Handlungsbedarf. Die Rechtsanwaltskanzlei Oliver John berät und unterstützt Sie dabei gern.